„Da bleibt ja nix mehr übrig!“ (Pflegekind, 15 Jahre, Ausbildung zum Mechatroniker)

75 Prozent

Wenn Jugendliche sich Geld für ein Smartphone oder etwas anderes mit einem Ferienjob dazu verdienen wollen, müssen sie zunächst 75 % des „Verdienstes“ an das Jugendamt abtreten. Das ist im Sozialgesetzbuch VIII geregelt, hier ist von „Einkommen„“ die Rede. Von 8 € Stundenlohn z. B. für Gartenarbeit bleiben noch 2 € übrig! Glück haben die jungen Leute, wenn das Jugendamt nicht so genau hinsieht und sie ihr Geld für die Erfüllung ihres Wunsches behalten können. Natürlich kann das Jugendamt auch eine Ausnahme begründen; gerade wenn es um einen Ferienjob geht. Aber mal ehrlich – wie fühlt sich das an? Der ganze Stolz, seinen Erfolg selbst in die Hand nehmen zu wollen, ist dahin, wenn man darum bitten muss, selbstverdientes Geld behalten zu dürfen. Selbstständigkeit und die Motivation, etwas leisten zu wollen, werden damit auf keinen Fall gefördert. Sondern eher die Haltung, dass man vor dem Staat nicht unbedingt alles preisgeben sollte.

Eine Steigerung erfährt das Problem mit Beginn einer Ausbildung. Ausnahmen sind hier nicht so einfach möglich. Wenn dann von dem mageren Lehrlingsgehalt ebenfalls 75 % vom Jugendamt für die Kosten des Pflegeverhältnisses oder der Heimunterbringung eingezogen werden, entstehen häufig Lebenshaltungen, die man vorher mit dem Einsatz pädagogischer Maßnahmen vermeiden wollte: „Wenn ich so wenig zum Leben habe, muss ich mal gucken, was ich beim Amt beantragen kann“ oder „das lohnt sich doch alles nicht, man kriegt ja sowieso wieder alles abgenommen, und wenn ich gar nicht arbeite, hab ich fast genauso viel …“ Eine Lebenshaltung wird früh geprägt und führt in diesem Fall zu einem unselbstständigen Leben, in dem Anstrengung nicht lohnt. Leider haben früh angelegte Lernerfahrungen und Haltungen meist ein Leben lang Bestand.

Wird der junge Mensch volljährig, muss er nicht nur 75 % seines Ausbildungsgehaltes abtreten, dann wird auch sein Erspartes über 5000,– € herangezogen. Vor wenigen Jahren lag die Grenze noch bei 2600,– €. Auch hier wieder wird Zukunftsplanung vereitelt, es sei denn, er oder sie verlässt die Obhut der Pflegefamilie oder des Heimes und verursacht keine Kosten mehr. Dann ist ein junger Mensch allerdings auf sich gestellt, obwohl die meisten in diesem Alter noch auf Unterstützung in vielerlei Hinsicht angewiesen sind. Das Durchschnittsalter junger Menschen, die ausziehen, liegt in Deutschland bei 23,7 Jahren. Während leibliche Kinder in der Regel auch nach dem Auszug auf die Hilfe ihrer Familie zurückgreifen können, ist das für Pflegekinder nicht selbstverständlich; für Kinder, die in Heimen großgeworden sind, ist das ohnehin keine Option.

Abgesehen davon, dass Pflege- und Heimkinder benachteiligt werden, vergibt unsere Gesellschaft eine Chance, in die Zukunft zu investieren.